Landkärtchens Blog

Mitteilungen eines Schmetterlings...
Mittwoch, 6. August 2008
Starre Schlangen und bunte Menschenaffen
Geht man zu zweit in den Leipziger Zoo und hat noch ein Kind dabei, lohnt es sich, Eltern zu sein. Denn die zahlen statt 37,00 nur ganze 34,00 Euro Eintritt. Dafür gibt es dann aber einen ganzen Tag lang Erlebnisse. Ein zweites Kind schlägt übrigens nicht nochmal mit weiteren 11,00 Euro zu Buche, wenn es noch keine 4 Jahre alt ist.

Das erste Erlebnis zeichnet sich bereits bei Annäherung an den Zooeingang ab. Eine Masse scheint sich aus der Ferne betrachtet über den Fußweg zu schlängeln. Kommt man näher, klärt sich auf, dass es sich um zwei monströse Tierkörper handelt, die wie erstarrt vor dem Eingang liegen. Stellt man sich hinter einen der Tierkörper, was nicht anzuraten ist, zeigt sich dieser als nicht so starr. Denn es handelt sich um eine der beiden Riesenschlangen, die man noch kostenlos, sozusagen als Geschmacksanreger zu sehen bekommt. Der Körper dieser Riesenschlangen ist aus dieser Perspektive in ständiger Bewegung. Er wird an verschiedenen Stellen breiter, dann wieder schmaler. Aber eins wird auch klar: Der Körper scheint sich überhaupt nicht vorwärts zu bewegen. Das ist gut so, wenn man Angst vor Schlangen hat.

In gehörigem Abstand zu diesen beiden Tierkörpern bewegt man sich nun in Richtung Eingang. Dort angelangt ist erstmals erkennbar, wo vorn und hinten dieser beiden Riesenschlangen ist. An den beiden Kassen befindet sich offenbar der Hintern der beiden Schlangen, denn dort wird aus den Portemonnaies der obige Betrag in langsamer Abfolge wiederholt ausgeschieden.

An dieser Stelle angelangt sieht man weitere 6 Kassen, vor denen sich aber eine andere träge Masse abzeichnete, die sich nach einigen Minuten Hinsehen als 6 weitere Schlangen entpuppt. Die Kürzeste von ihnen ist gerade mal etwa 10 Meter lang, was sie aber nicht davon abhält, diese Strecke nur in nicht weniger als 20 Minuten zurückzulegen. Erst dann war das Ende dieser Schlange mit uns an der Kasse angekommen. Ein Blick hinter uns zeigte, dass sich da bereits ein weiteres Tier gleicher Länge befand. Um ihm zu entkommen, entrichteten wir ganz spontan den oben genannten Betrag und versuchten uns zum Eingang vorzuschlagen. Da wir einer mittleren Schlange gefolgt waren, mussten wir erst drei weitere Schlangen zweiteilen, ehe wir dem Eingang gegenüber standen und ohne weitere Schlangen dort festen Schrittes hindurch schritten. Die erste Safari-Erfahrung hatten wir nun also. Was sollte uns unerschrockene Besucher noch widerfahren? Mit dem Drang, den anderen wilden Tieren auf den Leib zu rücken, begeben wir uns in die Völkerwanderung entlang des Rundweges.

Als Hinweis: Der beschriebene Besuch fand weder an einem Feiertag, noch dem ersten Sonnenscheintag des Jahres oder am Wochenende statt. Es war auch kein Herrenbrückentag oder Pfingstfreitag. Es schien auch kein japanischer Feiertag zu sein, denn die Schlangen am Eingang schienen voll und ganz europäisch zu sein. Nein. Es war ein ganz normaler Dienstag im Sommer.

Kennen Sie den Begriff "Rammelstampf"? Er erklärt sich vollkommen von selbst. Allerdings nur in den Kreisen der Republik, die unter "rammeln" und "rumrammeln" nicht das Poppen von sexuell ausgehungerten Kaninchen verstehen. Jedenfalls ist Rammelstampf der passende Begriff für den Rundweg.

Sollten Sie nun wirklich schon vor versauten Gedanken anfangen zu tropfen, kann ich Ihnen eines verraten: An so einem Tag werden Sie nicht ein einziges Tier in Popp-Stimmung erleben. Wenn sich die Massen an (heimlichen?) Beobachtern durch die schönen Gehege schieben, dürfte auch dem noch so exhibitionistisch veranlagten Tier der Drang nach körperlicher Nähe zu seinen Artgenossen abhanden kommen. Im Gegenteil: Die Bewohner der Gehege haben nun selbst einiges zu beobachten. Nicht nur Liebespärchen. Auch sonstwie verschwitzte Leiber von Besuchern, die sich an den Beobachtungsstellen der Gehege drängen. Sie berühren sich wegen des Platzmangels in einer Weise, dass den Affen warme Gedanken überkommen könnten. Im Gegensatz zu uns Menschen scheinen Affen solche Anblicke aber in keinster Weise zu reizen, denn die meisten von Ihnen blieben in ihren Verstecken. Oder es sind generell nur so wenige im Gehege. Das ist aus meiner Beobachterposition schlecht auszumachen.

Verlassen wir die Affen, von denen ich also nur wenige zu Gesicht bekam. Auch von den Tigern sah ich nur zwei Ohren. Ich will doch hoffen, dass die beiden Ohren keine Imitate im Gebüsch waren, damit später keiner behaupten kann, keine Tiger gesehen zu haben, wo die doch ein so schönes Gehege haben.

Mit der nicht endenden bunten Menschenaffenschlange mitgetrieben, kam ich nun an einem Gehege vorbei, in dem ich wirklich einige Tiere ganz deutlich erkennen konnte: Vor den Giraffen mit ihren glücklicherweise unübersehbar gelb gemusterten Hälsen, lichtete sich die Schlange der vor mir laufenden Affen. Das Rumrammeln nahm ab und ich konnte endlich auch einige Zebras entdecken.

Die Ähnlichkeit mit den Streifen auf der Straße, an denen sich Menschenschlangen sicher hinüber bewegen können, war deutlich auszumachen. Die Benennung der Tiere nach dieser Fahrbahnmarkierung kann ich also gut nachvollziehen, wobei die gleichmäßige geradlinige Bestreifung von den Tieren nicht so vollkommen nachgebildet werden konnte. Aber nichts ist vollkommen. Durch die natürliche Auslese, nach Darwin, werden wohl am Ende nur die Tiere auf der Straße in ihrer Heimat überleben können, die die Fahrbahnmarkierung in der gleichmäßigen Form täuschend echt imitieren können. Diese Tiere sehen dann wohl ungefähr so aus:

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Fragen Sie mich bitte nicht, wo der Schwanz ist. Im Verkehr ist der Schwanz sowieso ohne Bedeutung, sodass er im Ausleseprozess wegmutiert werden wird.

Meine Kinder haben aus ihrer Perspektive noch etwas weniger Tiere zu sehen bekommen als ich selbst. Aus dem Grund war zum Schluss der Spielplatz angesagt. Auf dem Weg dahin kamen wir an einem bunten Zug vorbei, der mit Kindern beladen im Kreis herum fuhr. Ich danke meiner Mutter noch heute für einen Leipzig-Besuch, als ich auf einem Volksfest mit einem schlichten Zug mit richtig schwarzer Dampflok im Kreis fahren durfte. Das ist mehr als 35 Jahre her. Jetzt haben sich die Zeiten geändert: Die Loks sind kunterbunt geworden und meine Kinder dürfen erst in der Lok mitfahren, wenn sie endlich den Loksimulator auf diesem Rechner, auf dem ich gerade schreibe, bedienen können. Also wurde schnurstracks an dieser Action vorbei gelaufen. In Richtung Ausgang war dann die Schaukel und der Streichelzoobereich das Event des Tages.

Zusammenfassend kann man sagen: In der Konstellation der Besucher und der Witterung und der Jahreszeit und, und, und,... hätte ein Spielplatz vollkommen gereicht. Doch für Spielplätze wird kein Eintritt verlangt. Deswegen gehen wir da auch nicht hin...

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Instabilität der Werbeerfolgs
Jetzt ist es klar:

Als ich vom Zoobesuch nach Dresden zurückkam, sah ich auf einmal, dass es eine Menge an Plakaten in der Stadt gab, wo für den Leipziger Zoo geworben wurde. Das abgebildete Zebra habe ich auch tatsächlich dort gesehen. Da hatte ich ja großes Glück gehabt, solch einen Star gesehen zu haben.

Jedenfalls ist klar: Das hohe Eintrittsgeld wird in die Werbung gesteckt, dadurch erhöhen sich die Besucherzahlen. Dadurch erhöhen sich die Einnahmen. Daraus wird noch mehr Werbung bezahlt. Darum gibt es noch mehr Besucher... Als ich meinen Besuch im Zoo gemacht habe, war ich am Ende dieses Schneeballprinzips angelangt: Die Besucherzahlen waren so hoch, dass bald ganz Sachsen innerhalb von Tagen durch die Anlagen geschleust sein müssten. Dann müsste es also bald kaum noch Besucher geben. Damit gehen die Einnahmen zurück. Die Werbung wird zurückgefahren. Dadurch kommen noch weniger Besucher...

Wenn Sie noch etwas warten, können Sie den Leipziger Zoo bald als einziger Gast am Tag besuchen.

Das gilt aber nur, wenn nicht viele Besucher der Werbung gefolgt sind, beim Verlassen des Tierparks ihre Eintrittskarte in eine Jahreskarte umzuwandeln. Natürlich gegen Aufpreis. Aber vielleicht sieht man ja beim nächsten Besuch mehr Tiere und weniger bunte Menschenaffen. Wenn der Aufforderung aber zu viele Gäste gefolgt sind, ist das eine unbegründete Hoffnung.

Viele Grüße

Ihr Landkärtchen

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