Landkärtchens Blog

Mitteilungen eines Schmetterlings...
Donnerstag, 14. Mai 2009
Und wieder Nahrungssuche
Diesmal am Beispiel eines Löwen soll demonstriert werden, welche unterschiedlichen Verfahren sich Survivalnde zu Nutze machen können, soweit sie über eine gute Hochschulbildung verfügen. Auch diese Beispiele stellen Allgemein Bekanntes Wissen dar1.

1. Die Hilbertsche oder axiomatische Methode.

Man stellt einen Käfig in die Landschaft und führt folgendes Axiomensystem ein:

Axiom 1: Die Menge der Löwen in der Landschaft ist nicht leer.

Axiom 2: Sind Löwen in der Landschaft, so ist auch ein Löwe im Käfig.

Schlußregel: Ist p ein richtiger Satz, und gilt "Wenn p, so q.", so ist auch q ein richtiger Satz.

Satz: Es ist ein Löwe im Käfig.

2. Die geometrische Methode.

Man stelle einen zylindrischen Käfig in die Landschaft.

1. Fall: Der Löwe ist im Käfig. Dieser Fall ist trivial!

2. Fall: Der Löwe ist außerhalb des Käfigs. Dann stelle man sich in den Käfig und mache eine Inversion an den Käfigwänden. Auf diese Art und Weise gelangt der Löwe in den Käfig und man selbst nach draußen.

Achtung: Bei Anwendung dieser Methode ist darauf zu achten, dass man sich nicht in die Mitte des Käfigbodens stellt, da man sonst im Unendlichen verschwindet!

3. Die Projektionsmethode.

Ohne Beschränkung der Allgemeinheit nehmen wir an, dass die betreffende Landschaft eine Ebene ist. Wir projizieren sie auf eine Gerade durch den Käfig (sog. Landstrich), und die Gerade auf einen Punkt im Käfig. Damit gelangt der Löwe in den Käfig.

4. Die Bolzano-Weierstraß-Methode.

Wir halbieren die Landschaft in Nord-Süd-Richtung durch einen Zaun. Dann ist der Löwe entweder in der westlichen Hälfte oder östlichen Hälfte. Wir wollen annehmen, dass er in der westlichen Hälfte ist. Daraufhin halbieren wir diesen westlichen Teil durch einen Zaun in Ost-West-Richtung. Der Löwe ist entweder im nördlichen oder im südlichen Teil. Wir nehmen an, er ist im Nördlichen. Auf diese Weise fahren wir fort. Der Durchmesser der Teile, die bei der Halbiererei entstehen, strebt gegen Null. Auf diese Weise wird der Löwe schließlich von einem Zaun beliebig kleiner Länge eingegrenzt.

5. Die mengentheoretische Methode.

Die Punkte in der Landschaft lassen sich wohlordnen. Ausgehend vom kleinsten Element erwischt man den Löwen durch transfinite Induktion. Bemerkung: Diese Methode ist in Fachkreisen umstritten wegen der Verwendung des Wohlordnungssatzes bzw. des Auswahlaxioms. Wie so oft, hat auch die vorliegende Fragestellung zu einer fruchtbaren Entwicklung geführt. Dabei wurde schließlich eine sehr viel einfachere Methode entdeckt, die den genannten Mangel nicht aufweist: Man betrachte alle Teilmengen der Landschaft, die den Löwen enthalten und bilde ihren Durchschnitt. Er enthält als einziges den Löwen. (Bei dieser Durchschneiderei sollte lediglich darauf geachtet werden, dass das schöne Fell des Löwen nicht zerschnitten wird.)

6. Die funktionalanalytische Methode.

Die Landschaft ist ein separabler Raum. Er enthält daher eine abzählbare dichte Menge, aus der eine Folge ausgewählt werden kann, die gegen den Löwen konvergiert. Mit einem Käfig auf dem Rücken springen wir von Punkt zu Punkt dieser Folge und nähern uns so dem Löwen beliebig genau.

7. Die Peano-Methode.

Man konstruiere eine Peano-Kurve durch die Landschaft, also eine stetige Kurve, die durch jeden Punkt der Landschaft geht. Es ist gezeigt worden, dass man eine solche Kurve in beliebig kurzer Zeit durchlaufen kann. Mit dem Käfig unterm Arm durchlaufe man die Kurve in kürzerer Zeit, als der Löwe benötigt, um sich um seine eigene Länge fortzubewegen.

8. Die topologische Methode.

Der Löwe kann topologisch als Torus aufgefasst werden. Man transportiere die Landschaft in den vierdimensionalen Raum. Es ist nun möglich, die Landschaft so zu deformieren, dass beim Rücktransport in den dreidimensionalen Raum der Löwe verknotet ist. Dann ist er hilflos.

9. Die Banachsche oder iterative Methode.

Es sei f eine Kontraktion der Landschaft in sich. x0 sei ihr Fixpunkt. Auf diesen Fixpunkt stellen wir den Käfig. Durch sukzessive Iteration Ln+1 = f(Ln), n = 0,1,2, ... ( L0 = Landschaft ) wird die Landschaft auf den Fixpunkt zusammengezogen. So gelangt der Löwe in den Käfig.

10. Die Kompaktheitsmethode.

Die Landschaft wird ohne Beschränkung der Allgemeinheit als kompakt vorausgesetzt. Man überdecke sie mit einer Familie von Käfigen Ki (i aus I). Dann gibt es unter ihnen endlich viele Käfige, Ki1, ... ,in, die bereits die ganze Landschaft überdecken. Die Durchmusterung dieser Käfige wird als Diplomarbeit vergeben.

11. Die logische Methode oder die Methode des tertium non datur2.

Man stelle einen offenen Käfig in die Landschaft und lege ein Brett mit Leim daneben. Beides biete man dem Löwen zum Betreten an. Der Löwe sagt dann: "Nein, auf den Leim gehe ich nicht!" Nach dem tertium non datur muss er in den Käfig gehen. Danach schlägt man die Tür zu.

12. Die stochastische Methode.

Man benötigt dazu ein Laplace-Rad, einige Würfel und eine Gaussche Glocke. Mit dem Laplace-Rad durchfährt man die Landschaft und wirft mit den Würfeln nach dem Löwen. Kommt er dann wutschnaubend angerannt, so stülpt man die Gaussche Glocke über ihn. Unter ihr ist er mit der Wahrscheinlichkeit eins gefangen.

13. Die didaktische Methode.

Man nähere sich dem Löwen auf der Brunerschen Spirale. Dann elementarisiere man den Löwen zu einer Katze und fange ihn mit einer Schale Milch.

14. Die Newtonsche Methode.

Käfig und Löwe ziehen sich durch die Gravitationskraft an. Wir vernachlässigen die Reibung. Auf diese Weise muss der Löwe früher oder später im Käfig landen.

15. Die Heisenberg-Methode.

Ort und Geschwindigkeit eines bewegten Löwen lassen sich nicht gleichzeitig bestimmen. Da bewegte Löwen also keinen physikalisch sinnvollen Ort einnehmen, kommen sie für die Jagd auch nicht in Frage. Die Löwenjagd kann sich daher nur auf ruhende Löwen beschränken. Das Einfangen eines ruhenden, bewegungslosen Löwen wird als unkompliziert und ungefährlich angesehen.

16. Die Schrödinger-Methode.

Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß sich ein Löwe zu einem beliebigen Zeitpunkt im Käfig befindet ist größer als Null. Man setze sich vor den Käfig und warte.

Bemerkung: Hierbei wird üblicherweise vorausgesetzt, dass der Käfig offen ist und man ihn zuschlagen muss, wenn der Löwe drin ist. H. Schubert wies aber darauf hin, dass man den Käfig wegen des Tunneleffekts auch zulassen kann. Auf diese Weise kann man bei der elenden Warterei auch mal weggehen. Aber nicht zu lange! Denn kluge Löwen, die den Tunneleffekt begriffen haben, verschwinden auch wieder.

17. Die Einsteinsche oder relativistische Methode.

Man überfliege die Landschaft nahezu mit Lichtgeschwindigkeit. Durch die relativistische Längenkontraktion wird der Löwe flach wie Papier. Man greife ihn, rolle ihn auf, und mache ein Gummiband herum.

18. Die dialektische Methode.

Man zäunt die Landschaft ein und setzt Kaninchen aus. Die Kaninchen vermehren sich schnell. Nach Hegel kommt daher bald der Zeitpunkt, bei dem Quantität in Qualität umschlägt, und dann hat man einen Löwen.

1 auch: Witz
2 Latain für: ein Drittes ist nicht gegeben

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