Landkärtchens Blog

Mitteilungen eines Schmetterlings...
Donnerstag, 12. März 2009
Mein Nachbar war der Massenmörder!
Rasterfahndung für Jedermann

Ich hätte es wissen müssen! Hätte ich! Aber fangen wir von vorn an.

Vor drei Tagen noch. Da hätte ich es verhindern können. Ich fühle mich so schlecht. Denn ich habe es nicht getan. Ich habe gezögert. Doch ich hätte es wissen müssen. Und ich habe es gewusst. Nur habe ich nicht reagiert. Jetzt ist es zu spät. 15 Menschen sind tot. Und ich habe Schuld! Zumindest eine Mitschuld habe ich. Mir ist so schlecht.

Warum ist es mir nie aufgefallen? Klar habe ich ihn oft, wenn ich von Arbeit kam, hinter dem Fenster am Computer gesehen. Auch wenn ich abends weg ging. Ständig. Da muss man auf dumme Gedanken kommen. Wenn ich meine Eingangstür auf oder zu schließe und seitlich sehe, habe ich seinen Monitor faktisch vor mir. Er schreibt. Fast immer.

Aber einmal, da habe ich gesehen, dass er auch Computerspiele hat. So mit Schießen. Die Fallen dabei hin, wie echt. Und manchmal spritzt Blut. Ekelig. Aber wie echt. Ich sprach ihn daraufhin einmal an, als er mit mir gleichzeitig das Haus verließ. Er missverstand mich zuerst und dachte, ich spiele auf Pornos an. Vermutlich hatte er davon also auch etwas. Es ist schon Schlimm. Ich verstehe das nicht. Er hatte doch alles. Seine Eltern waren so arm nicht. Wieso das dann? Von den Waffen habe ich allerdings nichts gewusst.

Durch Zufall hörte ich vor etwa zwei Wochen, wie sich seine Eltern vor seiner Tür unterhalten haben. Man macht das zwar nicht, aber wenn man schon mal dabei steht. Und das auch so gut zu verstehen ist. Da kann man ja nicht absichtlich weglaufen, um das nicht zu hören. Jedenfalls bekam ich mit, dass er Probleme hat. Er war in Behandlung. Nahm wohl auch Medizin. Das Thema der Eltern war aber, dass er wohl offenbar die Behandlung abgebrochen hatte.

Ich hätte es wissen müssen! So viele Zeichen und ich habe nicht reagiert! Hätte ich das mit den Waffen gewusst, ich hätte reagiert. Ehrlich! Seit Mittwoch habe ich ihn nun nicht mehr gesehen. Und werde ihn nie wiedersehen. Leider sind 15 Menschen mit ihm gegangen. Menschen, die ich nicht kannte, die mir jetzt aber in irgend einer nicht definierbaren Form aus dem Herzen gepresst worden.

Bis jetzt ist übrigens Ruhe auf der Straße. Mich wundert, dass die Presse nach mehr als einem Tag noch nichts mitbekommen hat. Die belagern doch sonst immer gleich die Häuser der Täter. Aber vielleicht übt man sich vernünftiger Weise auch in Zurückhaltung. Die Situation ist schlimm genug.

Tom Kerstens Nachbar

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